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2023 01 05 Balcones de Pissis 13

Argentinien – wahre Größe kommt von innen

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Mitte Januar reisten wir in das viertgrößte Land des amerikanischen Kontinents ein – Argentinien. Wir wussten, dass es alle Klimazonen beheimatet, eine riesige Nord-Süd-Ausdehnung hat und im Westen die Andenkette mit Chile teilt. Dass das Land aber so viel mehr Größe besitzt, als die alleinige Landfläche aufweist, hatten wir nicht im Geringsten erwartet.

Argentinien in Stichpunkten

  • Argentinien ist mit 2.780.400 km2 das achtgrößte Land der Welt und das zweitgrößte auf dem südamerikanischen Kontinent. Es ist hilfreich eine Landkarte zum planen immer dabei zu haben. Gefahren sind wir mit unserem Garmin Navi und der kostenfreien offline Mapsme (https://de.maps.me) Karte auf dem Handy.
  • Im Durchschnitt leben hier ca. 16 Einwohner pro km2, wobei das relativ ist, da allein rund ein Drittel der rund 45 Millionen Einwohner im Ballungszentrum Buenos Aires lebt.
  • Die größten Städte sind: Buenos Aires, Cordoba, Rosario, Mar de Plata und Mendoza.
  • Argentinien ist ein unglaublich camperfreundliches Land
  • Freies Camping ist erlaubt, sofern man sich nicht auf fremdem Privatgrund befindet oder es explizit verboten ist (Beschilderung o.ä.).
  • In fast jedem Dorf gibt es einen Dorfplatz mit Sitzgelegenheiten und meist mit Grillstation für die Öffentlichkeit, oft ist sogar ein Wasseranschluss vorhanden. In größeren Städten gibt es mehrere solcher Plätze. Wir hatten sogar Dorfplätze gefunden, die mit einem frei zugänglichen kostenlosen Pool ausgestattet waren.
  • Bei städtischen Campings (Camping Municipal) steht man zwar oft sehr einfach, dafür aber auch unglaublich günstig, manchmal sogar kostenlos.
  • Zur besseren Verständigung sind grundlegende Spanischkenntnisse von Vorteil, denn die wenigsten sprechen hier Englisch
  • Argentinien hat eine enorm hohe Inflation. Bargeld bekommt man am Besten über Western Union (zum Blue-Dollar-Kurs). Mit der App kann man Geld überweisen und mit dem Reisepass an einem WU-Schalter abholen. Bezahlt man mit Kreditkarte oder holt Geld am Geldautomaten ist der Wechselkurs etwas schlechter.
  • Es gibt unheimlich viel großartige Natur zu entdecken.
  • Die weiten Fahrstrecken in Argentinien sollte man nicht unterschätzen, da zwischendurch auch Tankstellen rar werden.
  • Auch wenn lt. auswärtigem Amt die Kriminalitätsrate sehr hoch ist, so kamen wir uns nie wirklich unsicher vor. Hier ist jedoch ein gutes Bauchgefühl und die richtigen Sicherheitsvorkehrungen besonders wichtig. Uns ist die Bevölkerung als unglaublich freundlich und hilfsbereit aufgefallen.
  • Um den städtischen Bus zu nutzen, muss man sich vorher eine Buskarte an einer Verkaufsstelle kaufen und mit Fahrten aufladen. Im Bus selbst ist das nicht möglich.
  • Fahrten mit Uber, Remis oder Taxis sind individueller und je nach Region/Stadt auch sicherer, als der Stadtbus. Spricht man in den Geschäften und Restaurants Mitarbeiter an und fragt, ob sie einem ein Taxi rufen können, machen sie das gerne.
  • Gegessen wird in Argentinien vor allem viel Fleisch. Das ist hier aber von sehr guter Qualität und echt lecker.
  • Beim Aufstocken seiner Vorräte sollte man stets die inländischen Grenzen mit Fruchtkontrollen im Blick halten. Manches Obst und Gemüse darf nicht über diese Grenzen mitgeführt werden.

Aller Anfang ist schwer

Argentinien ist so groß, dass die meisten europäischen Länder darin Platz finden würden. Diese für uns unfassbare Größe machte uns wirklich Kopfzerbrechen bei der Routenplanung.

Die vorherrschende Sommerhitze mit rund 35°C in der Grenzstadt Gualeguaychú machte uns die Überlegung ein wenig leichter. Während wir in einer der dortigen Thermen im kühlenden Wasser lagen, legten wir für uns fest: wir fahren auf keinen Fall schon nach Norden zu den Iguazú-Wasserfällen. Aber auch in Richtung Süden nach Patagonien zu fahren erschien uns nicht richtig. Um in diesem berühmten Teil des Landes genügend Zeit zu haben, bevor es für uns zu kühl wird, war es eigentlich schon zu spät und wir hätten viel zu schnell dorthin reisen müssen. Auch die Wale, die man im Frühling unterwegs sehen kann, waren jetzt schon weg.

Also entschieden wir uns dazu, einmal die endlose Pampa in Richtung Westen zu durchqueren und an die Andenkette zu reisen und von dort langsam in Richtung Norden zu fahren – mit dem Sommer im Rücken und der Kühle der Berge im Nacken.

Die anderen Landstriche, also den nordöstlichen Teil des Landes sowie Patagonien werden wir dann in einem zweiten Durchlauf in Angriff nehmen, um genügend Zeit für diese umwerfenden Landstriche zu haben.

Die Pampa – endlose Weiten und grenzenlos freundliche Menschen

Auf unserem Weg durch die Pampa zwischen Buenos Aires und Mendoza bekamen wir erstmals ein Gefühl für die Unendlichkeit Argentiniens. Zwischen den beiden Großstädten, die zusammen mit Cordoba und Rosario zu den größten des Landes gehören, war das Land topfeben und gefüllt mit den größten Agrarflächen, die wir bis dahin jemals zu Gesicht bekommen hatten. Stundenlang fuhren wir neben Mais- und Sojafeldern entlang, die sich in alle Richtungen bis zum Horizont erstreckten und nur durch die Straße unterbrochen wurden, auf der wir fuhren.

Ab und zu tauchte ein kleines Städtchen oder ein Sonnenblumenfeld auf und bei jeder Kurve jubelten wir über die Abwechslung. Auf der Strecke gab es mehr Landmaschinenhändler als Tankstellen und die Landmaschinen selbst waren so unglaublich groß, wie die Ackerflächen, die damit bearbeitet wurden. Aber auch wenn die Landschaft irgendwann eintönig und langweilig für uns wurde, so waren die Menschen, die uns begegneten umso herzlicher.

Man sprach uns an, woher wir kämen und wohin wir wollten und man versuchte, uns bei der Suche nach einer LPG-Tankmöglichkeit zu helfen. Durch die Agrarwirtschaft ist es in dieser Gegend auch schwierig einen Schlafplatz zu finden. Als wir vor einem Campingplatz standen, der keine Gäste über Nacht mehr beherbergen durfte, kam ein Nachbar vorbei und half uns, einen sicheren Schlafplatz bei einem Bekannten auf dem Gelände einer Firma in der kleinen Stadt zu organisieren. Dazu telefonierte er einige Bekannte ab, um auch die Beste Option wählen zu können.

Schon hier fiel uns auf, dass jedes noch so kleine Dörfchen immer einen hübschen Dorfplatz besitzt, der mit Tischen und Bänken ausgestattet ist, meistens auch noch öffentliche Grillplätze und Spielmöglichkeiten für die Kinder bereithält. Auch öffentliche Wasseranschlüsse gibt es auf diesen Dorfplätzen häufig. Mit etwas Glück ist sogar ein öffentlicher Pool mit dabei. Das Zusammensein in der Natur mit Familie, Freunden und Nachbarn wird in Argentinien ganz groß geschrieben. Meistens machten wir an diesen Dorfplätzen unsere Essenspausen, was auch von der Bevölkerung als willkommene Abwechslung gesehen wurde. Immer wurden wir herzlich begrüßt oder man half uns, einen guten Parkplatz zu finden.

Mendoza – kein Montevideo aber trotzdem ziemlich hübsch

Nach drei Fahrtagen hatten wir das Tiefland durchquert und kamen auf dem Camping Suizo in Mendoza an. Auf diesem paradiesischen Platz blieben wir insgesamt sechs Tage und erholten uns von der langen und eintönigen Überfahrt durch das argentinische Tiefland.

Tim fand auch ziemlich bald neue Freunde und so kam es, dass wir ihn kaum noch zu Gesicht bekamen. Er war einfach zu beschäftigt mit Karten spielen, grillen und im Pool planschen. Von der liebenswerten argentinischen Familie wurden wir dann auch alle in die Thermen eingeladen, wo die herzliche Mutter der Familie arbeitet. Natürlich hat man Handynummern getauscht und bleibt so in Kontakt.

Der Campingplatzbetreiber machte uns darauf aufmerksam, dass man hier in der Gegend ein wenig aufpassen sollte und besser nicht unnötig mit Wertsachen herumläuft. Wir hielten uns an den Rat – fuhren lieber mit Uber und Taxi, als mit dem Bus – aber wir fühlten uns nie unsicher oder unwohl. Dazu muss man aber auch sagen, dass wir ja eher die tagaktiven Menschen sind und deshalb auch nach 10 Uhr eher wieder zuhause sind.

Überall entdeckt man hier in Argentinien alte Zeugen aus einer Zeit, als die argentinische Wirtschaft noch ganz vorne an der Weltspitze mitspielte. Alte prunkvolle Gebäude, Parks, aber auch soziale Einrichtungen, die bis heute überdauern, zum Teil natürlich noch in Betrieb, zum Teil aber auch ausgemustert. So zum Beispiel ein alter Freizeitpark ganz in der Nähe des Campingplatzes.

Mendoza selbst ist eine recht hübsche, grüne Oasenstadt mitten in der steppenhaften Umgebung am Rande der Anden. Durch ein Bewässerungssystem, das durch die ganze Stadt läuft, werden die Bäume regelmäßig mit Wasser versorgt. Das macht sie so unglaublich grün und angenehm schattig. Allerdings muss man auch immer aufpassen, wo man hintritt, denn die bis zu einem Meter tiefen Gräben sind meistens nicht abgedeckt und verlaufen überall zwischen Straße und Gehweg.

Alte Gebäude aus der Kolonialzeit sucht man hier allerdings vergebens, denn Mendoza wurde am 20. März 1861 von einem schweren Erdbeben zerstört. Nur wenige Gebäude überdauerten das Unglück. Bei dem Beben ließen rund ein Drittel der damals 18.600 Einwohner ihr Leben.

Beim Stadtbummel fanden wir glücklicherweise unter anderem einige Outdoorläden und konnten dort viele der gestohlenen Sachen wieder nachkaufen und uns wieder richtig ausrüsten. Vieles konnten wir allerdings nicht in der Qualität erwerben, wie wir sie verloren hatten.

Auch der Migrationsbehörde statteten Ronja und ich (Christa) einen Besuch ab. In Argentinien bekommt man nämlich keinen Einreisestempel mehr, sondern nur noch eine E-Mail mit der Aufenthaltsbestätigung. Diese ging bei Ronja aber nicht ein. Offenbar ist das ein bekanntes Problem und bei Nachfrage in der Behörde bekamen wir sofort den entsprechenden Ausdruck mit einem freundlichen Lächeln in die Hand.

Alles in Allem gefiel uns die lebhafte Stadt ganz gut, aber lange nicht so gut wie Monteviedo, dessen Charme einfach unvergleichlich ist.

Die Anden – erste Berührungen mit der größten Bergkette der Welt

Nachdem wir Mendoza verlassen hatten, fuhren wir weiter auf der wohl bekanntesten Straße Argentiniens, der Ruta 40, in den Norden. Diese Nord-Süd-Verbindungsstraße ist nicht nur die längste, sondern angeblich auch die schönste Straße des Landes, da sie sich stets neben der Andenkette entlangschlängelt und sehr abwechslungsreiche Landschaften durchquert.

Hier findet man auch immer mal wieder Thermalbäder, die nicht unbedingt alle warm sind, aber oft einen Anlaufpunkt für eine Übernachtungsmöglichkeit darstellen. So haben wir das Thermalbad Baños Termales de Talacasto besucht und dort übernachtet. Die Betreiber sind superherzlich und bemüht, den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Leider, so erzählte uns die Besitzerin, fehlt das nötige Geld, um die Anlage zu renovieren. Aktuell versucht sie von der Stadt San Juan Gelder zu bekommen, doch das sei nicht so einfach.

Wir schlängelten uns weiter durch die Steppe, besuchten die Nationalparks Ischigulasto und Talampaya abseits der Ruta 40 und trafen hier auch erstmals auf Guanakos. Diese hübschen Tiere sind zusammen mit den etwas kleineren Vikunjas die Urform der bekannteren Lamas und Alpakas. In diesen beiden Parks hat man in der Vergangenheit so einige Saurierknochen ausgegraben. Man findet hier einige Hinweise dazu auf dem Weg.

Bei unseren ersten Ausflügen in die Anden waren wir abermals beeindruckt von der unfassbaren Größe und der Weite, die sich uns hier offenbarte. Endlich waren wir in den Anden – der größten Bergkette der Welt. Heimat vieler Vulkane und einer artenreichen Tier- und Pflanzenwelt. Neben den Guanakos sahen wir vor allem unglaublich viele Pferde und Füchse. Letztere hätten wir zwar gerne fotografiert, aber die kleinen grauen Streuner sind verdammt schnell wieder weg. Dafür hört man sie nachts ziemlich häufig rufen.

Auf Goldsuche und Ausflug in Richtung Mt. Pissis

Wir fuhren nach den Abstechern in die beiden Nationalparks IIschigulasto und Talampaya weiter auf der Ruta 40 bis Chilecito, wo wir den Tag in der Stadt verbrachten und über Nacht noch an den dortigen Ruinas de Capayán Halt machten.

Am nächsten Tag ging es dann über die Ruta 11 in der Nähe von La Mesada auf Goldschatzsuche. Zumindest wollten wir ursprünglich zu den Goldminen und zum Canyon del Ocre fahren. Da aber durch den Regen die Pisten unterspült waren und die Pistenzustände für uns nicht immer sicher waren, beschlossen wir, doch die etwas einfachere Piste zurück zur Ruta 11 zu nehmen.

Die Stadt Tinogasta war kurz vor unserer Ankunft von einem Unwetter stark getroffen worden. Die ganze Stadt war eine einzige Schlammschlacht und deshalb war auch der Campingplatz geschlossen, auf dem wir eigentlich ein paar Tage bleiben wollten. Da wir aber relativ Autark unterwegs sind, war das für uns kein Problem. Zuflucht fanden wir an der Iglesia de Nuestra Señora de Andacollo. Natürlich hatte die außerhalb gelegene Kirche auch wieder Parkbänke und ein Sanitärhaus mit Toiletten und Duschen mit dabei. Die Argentinier kommen hier vorbei, um der heiligen Jungfrau Andacollo ihre Gebete für ihre Liebsten auszusprechen und Zeit mit der Familie zu verbringen.

Von Tinogasta ging es weiter in die Berge. Wir wollten in die Nähe des zweithöchsten Vulkans der Welt: dem Mount Pissis. Die Piste zu diesem Vulkan ist gut ausgebaut und führt vorbei an den Balcones del Pissis – das sind Salzseen, die sich dort oben gebildet haben und die Heimat von Flamingos ist. Dies sollte auch unsere erste Testfahrt in die Höhe werden, denn die Route führte uns auf eine Höhe von insgesamt mehr als 4.700 Meter über dem Meeresspiegel. Unser Ben hat sich auf dieser Höhe unerwartet gut geschlagen.

Der Weg dorthin war mehr als nur beeindruckend und ist schwer in Worte zu fassen. Noch schwerer ist es, das gesehene in Bildern festzuhalten. Es war atemberaubend. Fantastisch. Aber auch anstrengend, denn der Aufstieg von mehr als 3500 Metern in nur zwei Tagen ist anstrengend. Vor allem Tim vertrug die Höhe nicht so gut, weshalb wir uns dann auch recht schnell wieder an den Abstieg machten.

Im Norden angekommen

Nach unserem Ausflug zu den Balcones de Pissis ging es für uns weiter in Richtung Norden. Wir besuchten auf dem Weg die Ruinen der Quilmes-Stadt, die auf dem Weg lag. Dieser Besuch im dortigen historischen Stätte mit zugehörigem Museum faszinierte uns total.

Wir erfuhren von der tragischen Geschichte dieser indigenen Bevölkerung, die einst hier eine große Zivilisation bildete und von den Spaniern nach mehr als hundert Jahren andauernden blutigen Kämpfen besiegt und in die Provinz Buenos Aires deportiert wurden. Doch dieses freiheitsliebende Volk ließ sich davon nicht unterkriegen und einige der Nachfahren der Quilmes kamen viele Jahre nach der Deportation wieder zurück und hüten heute hier ihre Geschichte und tragen sie weiter von Generation zu Generation – so wie sie es schon immer taten.

Wir bleiben noch ein wenig

Aktuell sind wir in Salta angekommen. Eigentlich war geplant, von hier in ein paar Tagen nach Chile zu fahren. Da uns aber Argentinien, seine Natur und vor allem seine so herzlichen Menschen so gut gefällt, haben wir beschlossen, noch ein wenig zu bleiben. Wann wir nach Chile fahren, wissen wir noch nicht. Letztlich sind es einige Monate geworden.

Hättest du von Argentinien erwartet, dass es so faszinierend ist und dass die Menschen hier so einzigartig nett sind? Kennst du Argentinien oder hast du eine andere Vorstellung von dem Land? Schreib uns doch in die Kommentare.

8 Gedanken zu „Argentinien – wahre Größe kommt von innen“

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