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Wal in der Antarktis

Antarktisexpedition: 10 unvergessliche Tage im ewigen Eis

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Es geht in die Antarktis. Eigentlich dachten wir ja, Ushuaia wäre der südlichste Punkt, den wir auf unserer Reise erreichen können – falsch gedacht. Wir haben eine 10-tägige Expedition in die Antarktis gebucht und das war die beste Entscheidung unserer bisherigen Reise.

10 Tage auf Expedition in die Antarktis. Niemals. Oder doch?

Eine Expedition in die Antarktis stand eigentlich nie auf unserem Plan. Wir dachten, zehn Tage auf einem Schiff würden wir nie und nimmer aushalten. Und wir wären auch niemals auf die Idee gekommen, hätten unsere Freunde Bruno und Renate uns nicht so von ihren Reisen in die Antarktis vorgeschwärmt und erklärt, dass sie nun zum dritten Mal eine solche Reise unternehmen möchten. Also haben wir uns mal bei Last Minute Anbietern umgehört. Denn wir waren ja schon ganz in der Nähe von Ushuaia und zeitlich ultraflexibel.

Der Vorteil der Flexibilität

Nach einigen E-Mails bekamen wir tatsächlich einen unglaublich guten Last-Minute-Preis für eine 10-tägige Expedition in die Antarktis und zu den Südshetlandinseln. Anbieter hier war Wayfinders. Die letzten Tage vor der Abreise verbrachten wir in Ushuaia und im daneben gelegenen Nationalpark. Hier konnten wir schon mal ein paar Dinge packen und in Ushuaia die von Wayfinders angebotenen wasserdichten Überhosen und Handschuhe abholen. Auch die Details zum Bording wurden geklärt. Wayfinders hat für uns auch einen kostenlosen und überwachten Stellplatz außerhalb der Stadt bereitgestellt, wo unser Ben die 10 Tage geparkt werden darf.

Wasserschaden – sowas kommt immer unpassend

Kurz vor Abreise bemerken wir Wasser auf dem Boden. Natürlich ist Samstagabend und natürlich wollen wir Montag aufs Schiff. Mist. Aber fluchen nützt ja auch nichts. Also nehmen wir auf dem Parkplatz vom Tren Fin del Mundo mal schnell den Kühlschrank raus und schon sehen wir den Salat: unser Abwasserrohr unter dem Spülbecken ist gerissen und die Suppe ergießt sich hinter dem Kühlschrank auf den Boden. Aber wo bekommt man so schnell am Samstagabend einen neuen Schlauch her?

Eric und Christa trampen daraufhin in den nächsten großen Supermarkt, denn alles andere hat schon geschlossen. Im Supermarkt gibt es einen neongelben dicken Schlauch, der genau die gesuchte Dimension hat. Beim Ausbau zerbröselt der Abwasserschlauch geradezu. Wurde also Zeit, diesen komplett auszutauschen. Den Sonntag verbringen wir dann damit, die Heizung bei geöffneten Fenstern auf Volldampf laufen zu lassen, damit wieder alles fein abtrocknen kann, den Kühlschrank zu säubern, alles aufzuessen, was ansonsten in den 10 Tagen kaputt gehen würde und natürlich zu packen.

Eine Seefahrt ist lustig, eine Seefahrt ist schön

Am Montag bringen wir Ben zu seinem Stellplatz und gegen Abend geht es auch schon los. Wir checken ein. Wow. Was für ein Luxusschiff. Unerwarteterweise haben wir noch ein Kabinenupgrade bekommen und sogar Kabinen mit Balkon. Es gibt Sekt zum Empfang und eine Sicherheitsübung für alle. Dann legen wir vom Hafen ab. Wir nehmen Kurs auf den südlichsten, den höchsten, den windigsten und den kältesten Kontinent der Erde.

Über den Beagle-Kanal hinaus aufs offene Meer

Über den Beagle-Kanal verlassen wir Argentinien. Es gibt ein leckeres Abendessen und man erklärt uns, dass wir alle besser unsere Tabletten gegen die Seekrankheit nehmen sollen, denn wir würden in der Nacht das ruhige Gewässer des Beagle-Kanals verlassen und in die Drake Passage einfahren.

Die Drake Passage gilt als die gefährlichste Wasserstraße der Welt. Das oft schlechte Wetter, die Winde und die meterhohen Wellen machen es vielen Seefahrern schwer. Unzählige Schiffswracks vergangener Jahrhunderte liegen hier auf dem Grund. Natürlich halten wir uns an den Rat und nehmen brav unsere Reisetabletten. In der Nacht merken wir, wie der Spaß beginnt.

Die Drake Passage

Wir haben aber Glück und das Wetter ist für die Drake Passage verhältnismäßig gut und die Wellen nicht höher als 5 Meter. Dennoch sind wir beim Frühstück am nächsten Morgen nahezu alleine. Offenbar haben sich viele entweder nicht an den Rat gehalten oder haben – wie Ronja auch – trotzdem Magenprobleme bei dem stetigen Geschaukel auf dem Schiff.

Unser Schiff, die World Navigator, ist ein sehr modernes Schiff, gerade mal zwei Jahre alt. Sie ist mit sehr vielen technischen Raffinessen ausgestattet und besitzt unter anderem neben einer seitlichen Stabilisierung auch einen Hybrid-Motor. Dieser dient vor allem dazu, bei Walsichtung manövrier- und fahrfähig zu bleiben, ohne die großen Meeressäuger durch die Motorengeräusche zu gefährden.

Die Überfahrt soll etwa zwei Tage dauern. Je nach Wetter. Aber diese Zeit ist keineswegs langweilig. Unser Expeditionsteam stellt sich vor. Wir werden begleitet von Wissenschaftlern und Experten unterschiedlicher Fachrichtungen und der Expeditionsleiter Jonathan hat unter anderem sogar ein komplettes Jahr auf einer Forschungsstation in der Antarktis zugebracht. Neben ihren eigenen Wissensaufträgen werden sie uns in den nächsten Tagen begleiten und mit Informationen versorgen.

Vorträge, Einweisungen und Reinigungsarbeiten

Zwischen den Mahlzeiten sind die Tage auf der Drake Passage also gespickt mit Fachvorträgen des Expeditionsteams. Außerdem werden wir in das Doing der Zodiac-Fahrten (Zodiacs sind motorisierte Gummiboote) und Landgänge eingewiesen. Alles, was wir an Kleidung und Ausrüstung bei den Landgängen bei uns tragen wollen, muss nun in kleinlichster Feinarbeit mit Pinzette, Staubsauger und Co. gereinigt werden. Kein Samenkorn, kein Fussel sollte am Ende mehr dran hängen.

Man erklärt uns, dass wir an Land nichts anfassen dürfen, uns nicht hinsetzen dürfen oder irgendwas ablegen dürfen, um eine kleinstmögliche Verunreinigung zu verursachen. Unsere Schuhe und Hosenbeine müssen vor und nach jedem Landgang gereinigt und desinfiziert werden. So soll auch ausgeschlossen werden, dass wir Erreger, Keime oder sonst irgendwas von einer Insel auf die nächste mitnehmen.

Wir sind erstaunt und begeistert zugleich über diese krassen Hygiene- und Sicherheitsvorkehrungen.

Während der Vorträge erfahren wir viel über die Antarktis, ihre Bewohner an Land und im Wasser, die Meeresströmungen und die Forschungsarbeiten dort.

Und immer, wenn wir zwischendurch aus dem Fenster schauen, sehen wir Albatrosse und Sturmvögel, die das Schiff zu begleiten scheinen. Und auch über diese Vögel lernen wir gleich eine Menge und erfahren beispielsweise, dass ein Albatross mehrere hundert Kilometer gleiten kann, ohne einmal mit den Flügeln zu schlagen.

Die Südshetland-Inseln

Nach nicht ganz zwei Tagen beruhigt sich die See und wir erreichen die Südshetland-Inseln. Das ist eine der Antarktis vorgelagerte Inselgruppe. Am Nachmittag heißt es für uns: Jacken, Hosen und Mützen anziehen und raus auf die Zodiacs. Unser Schiff, die World Navigator, bleibt ein ganzes Stück vom Festland entfernt. So muss sie keinen Anker werfen und bleibt manövrierfähig. Das ist in der Antarktis besonders wichtig, da sich Eisberge und Treibeis ziemlich schnell bewegen und sonst zur Gefahr werden können.

Barrientos Island: Pinguine, Pinguine und Pinguine

Wir landen auf Barrientos Island. Die Insel ist im Sommer eisfrei und bereits jetzt, Ende November, sind die ersten Hügel und Felsen abgeschmolzen und erste grüne Stellen werden sichtbar.

Barrientos Island ist bei Pinguinen ein beliebter Ort zum brüten. Bereits bei der Anfahrt mit dem Zodiac springen einige Eselspinguine um uns aus dem Wasser und an Land sehen wir viele Kolonien Esels- und Zügelpinguine. Die kleinen Kerle machen einen ganz schönen Lärm und sind die meiste Zeit mit dem Nestbau beschäftigt. Dabei entsteht ein stetiger Streit um die schönsten Steine oder den höchstgelegenen Nistplatz.

Kein leichtes Leben für Frackträger

Offenbar ist es wie bei den Menschen – der Nachbar hat immer die schönsten Sachen und so klauen die Pinguine die Steine zum Nestbau bevorzugt beim Nachbarpaar. Aber auch vom Strand oder von Felskuppen werden Steine geholt und sorgsam um das eigene Nest gelegt. Ein Vogelkundler klärt uns über das Verhalten und die Lebensweise der Pinguine auf.

Es gibt regelrechte Pinguin-Highways, die die Vögel nutzen, um zum Strand und zurück zu den Felshügeln zu kommen. Durch diese Highways ist der Schnee platzgelaufen und die Pinguine kommen so kraftsparender hin und her. Diese dürfen wir auch auf keinen Fall betreten. Und wenn die Pinguine auf dem Bauch den Hang hinab rutschen, dient das der Energieersparnis. Denn das ist Überlebenswichtig.

Die ersten Eier sehen wir auch schon. Die Brutsaison hat hier also schon begonnen. Und weil es schon Eier gibt, sind die antarktischen Skuas auch nicht weit. Diese braunen Raubmöven haben es nämlich auf den Nachwuchs der Frackträger abgesehen. Egal, ob Ei oder Küken – Hauptsache Essen.

Schutzmaßnahmen, die bald Gewohnheit sind

Bevor wir wieder auf das Schiff dürfen, müssen unsere Schuhe und Hosenbeine gründlich gereinigt und desinfiziert werden. Das soll dazu dienen, dass wir weder Krankheiten und Erreger (wie die Vogelgrippe) noch Pflanzenteile mit an einen anderen Ort nehmen. Da die Vogelgrippe bereits in Argentinien und Chile ein großes Problem ist und viele Tiere sterben, möchte man hier ein verschleppen möglicher Erreger durch Menschenhand möglichst vermeiden. Und auch Flechten oder ähnliches soll nicht durch uns weitergetragen werden.

Antarktische Inseln – Schnee, Eis und tolle Begegnungen

Von Barrientos Island geht es über Nacht weiter bis zu einer der antarktischen Halbinsel vorgelagerten Inselgruppe. Hier steuern wir am Morgen die Insel Kinners Cove an. Mit den Zodiacs fahren wir hin ein Meer aus Treibeis. Viele kleine und größere Eiswürfel schwimmen vor den Inseln und das Expeditionsmitglied, welches unser Zodiac führt, fährt mitten hinein. Ein wenig mulmig wird uns, wie wir hören, wie der Motor ächzt und unser Zodiacführer “Oh oh” sagt. Aber dann lacht er und das Boot schafft es wieder aus dem Treibeis raus. Allerdings, so erzählt er uns, kann es durchaus passieren, dass man stecken bleibt.

Wir schauen uns noch ein wenig die Gegend an und finden an den Klippen von Kinners Cove wieder verschiedene Pinguine. Sogar Adele-Pinguine sind dabei. Durch den Rückgang des Packeises geht auch der Lebensraum der Pinguine zurück, die sich bevorzugt in Regionen mit Pack- oder Shelfeis rund um die Antarktis aufhalten.

Ab ins Packeis – eine einzigartige Erfahrung

Nachdem wir Kinners Cove wieder verlassen haben geht es für uns ein kleines Stück weiter. Antarctic Sound heißt der Ort, wo das Packeis entlang der antarktischen Halbinsel ins offene Meer getrieben wird. Und wir fahren ein Stück in dieses Packeis hinein.

Überall rumpelt es klopft es am Bug unseres Schiffes und wir sind froh, dass wir auf einem Eisbrecher der Kategorie II unterwegs sind. Diese Klasse müssen alle Expeditionsschiffe haben, die bis zur Antarktis vordringen wollen. Die Umgebung ist wunderschön und auf der eisfreien Seite des Schiffs werden die Zodiacs ins Wasser gelassen, damit wir eine weitere Rundfahrt unternehmen dürfen. Auch hier sehen wir einige Adele Pinguine und viele Antarktiskormorane, die in einer geschlossenen Gruppe auf dem Wasser treiben.

Bei der Weiterfahrt mit den Zodiacs vorbei an tollen großen Eisbergen finden wir auch in leuchtendem Orange die Petrel Forschungsstation.

Vorbei am Festland zu den Hydruga Rocks

Am Festland der Antarktishalbinsel geht es am Abend vorbei in Richtung Hydruga Rocks. Da wir uns im antarktischen Sommer befinden, wird es schon gar nicht mehr richtig dunkel und egal wann wir aus unseren Kabinenfenstern schauen, es ist relativ hell.

Die Antarktis beherbergt nicht nur das größte Vorkommen an Eismassen, sie ist auch sehr felsig und bergig. Hohe Klippen und Berge ragen aus dem Wasser und riesige Eisberge schwimmen davor. Es ist fantastisch, atemberaubend und wunderschön.

Auf Hydruga Rocks watscheln wir mit den Zügelpinguinen über den tiefen Schnee. Wir dürfen nur auf den vorgeschriebenen Wegen bleiben, damit wir nicht einsinken und auch damit keine Löcher im Schnee entstehen, die für die Pinguine zur gefährlichen Stolperfalle werden.

Wir setzen Fuß auf das Festland des 7. Kontinents – Antarctica

Am Nachmittag setzen wir erstmals Fuß auf das Festland des Kontinents Antarctica. Der gesamte Kontinent wurde zum Naturschutzgebiet erklärt und bildet somit das größte Naturschutzgebiet der Erde. Hier sind, wie überall im Bereich der Antarktis, besondere Auflagen zu erfüllen.

Wir brechen im Schnee immer wieder ein, während wir auf einen kleinen Hügel laufen. Wahnsinnig schöne und kuriose Eisformationen sind von hier zu sehen.

Inspektion der Brücke und Whale Watching

Nachdem wir zurück auf dem Schiff sind, beschließen wir, einen Blick auf die Brücke zu werfen. In ruhigen Zeiten steht diese nämlich für Besucher offen und die zweite Zodiac Gruppe befindet sich noch auf dem Wasser bzw. an Land.

Es ist erstaunlich, mit wie viel Technik so ein Schiff ausgerüstet ist. Radar, Sonar und viele weitere große und kleine Helfer ermöglichen eine gute Navigation durch das Südpolarmeer mit all seinen Tücken. Da sind die Eisberge, das Packeis aber auch Wale, die den Weg kreuzen können.

Und gerade als wir ein Merkblatt mit den Erkennungsmerkmalen verschiedener Walarten sehen, tauchen auch schon wie zur Bestätigung außen am Schiff Buckelwale auf. Es war ein toller Moment, die ersten Fontänen zu sehen, die Art, wie diese erhabenen Tiere wieder abtauchen.

Die letzten Zodiacs sind noch auf dem Wasser und wir sind fast schon ein wenig neidisch, als die Wale nah an die Gummiboote herankommen.

Magische Momente – Orcas zum Greifen nah

Am nächsten Morgen wird jeder, der noch nicht auf den Beinen ist, mit einer Durchsage aus dem Bett geworfen. Direkt neben dem Schiff wurde eine Orcaschule gesichtet.

Diese Durchsage reicht aus, um die Hälfte der Passagiere nur mit Schlafanzug bekleidet auf Deck zu jagen. Die Schule junger und älterer Orcas schwamm direkt am Schiff vorbei, tauchte immer wieder auf und ab und für Tim ging ein lang ersehnter Traum in Erfüllung.

Die Plata Passage – wie flüssiges Silber und blaue Smaragde

Nach der morgendlichen Aufregung frühstückten wir in aller Ruhe und unser Schiff steuerte den für den Vormittag bestimmten Ort an. Plata Passage heißt die Bucht in der wir uns befinden und sie hat den Namen nicht umsonst. Die See liegt hier so still vor uns, dass das Wasser wie flüssiges Silber aussieht. Um uns befinden sich hohe Klippen, die vom Eis umgeben sind, das wie Saphire in allen erdenklichen Blautönen erstrahlt.

Wir steigen in die Zodiacs und fahren bis zu den hohen Klippen der Antarktis. Unser Expeditionsleiter schaltet den Motor ab und wir gleiten lautlos auf dem Wasser dahin und lassen unseren Gedanken freien Lauf. Um uns herum hält die Welt den Atem an und nur das Knistern und Knacken des Eises ist zu hören. Ein wahnsinnig schöner Moment.

Wie mag das wohl für die ersten Seefahrer gewesen sein? Umgeben von dieser fremdartigen, lebensfeindlichen aber wunderschönen Umgebung. Nur geleitet von der Sonne und den Sternen? Immer mit der Gefahr im Nacken nie wieder den Weg zurück zu finden und im ewigen Eis zu sterben. Wir können es uns nicht richtig vorstellen.

Heute mit GPS und all den anderen technischen Hilfsmitteln ist es eben ganz anders und doch birgt die Antarktis noch heute einige Gefahren. Deshalb werden bei Landgängen auch immer zuerst drei wasserdichte Tonnen mit überlebenswichtigen Dingen an Land gebracht. Sollte eine Rückfahrt mit den Zodiacs zum Schiff einmal nicht möglich sein (aufgrund von Treibeis, schlechtem Wetter, etc.), ist damit das Überleben der Teilnehmer zumindest für einen kurzen Zeitraum sichergestellt.

Hautnahe Begegnung mit Orcas – Aufregung pur im Zodiac

Eine ganze Weile treiben wir so auf dem Wasser umher, begleitet vom Knacken und Knistern des Eises und der Stille der Welt. Dann rüttelt uns ein Funkspruch wach. Es wurde eine Schule Orcas ganz in unserer Nähe gesichtet.

Unser Zodiacfahrer steuert ein wenig in die genannte Richtung zu dem anderen Zodiac. Sobald wir Sichtkontakt haben macht unser Führer den Motor aus. Für alle Expeditionsleiter ist klar: niemals wird ein Lebewesen mit dem Zodiac verfolgt oder mit dröhnendem Motor angesteuert. Die Tiere sollen immer aus freien Stücken kommen und gehen können.

Und genau das haben die Wale gemacht. Sie kamen direkt an unser Zodiac geschwommen. Sogar darunter durch. Wir haben gehört, wie sie sich miteinander verständigt haben. Sie haben uns inspiziert und nach einer Weile befanden sie uns wohl für ungefährlich, nicht essbar oder langweilig, weshalb sie wieder weiterzogen, um dem Nachwuchs beizubringen, wie man Eisblöcke rammt, damit leckere Robben oder Pinguine herunterfallen.

Beim der abendlichen Zusammenfassung im Auditorium erfuhren wir dann, dass es sich um den kleinen Typ B Orca (Gerlache Schwertwal) handelte, den wir hier angetroffen haben. Sie erreichen ein durchschnittliches Alter von 50 – 80 Jahre, sobald sie das Babyalter übersteigen, denn sie haben keine natürlichen Feinde. Selbst der gefährliche weiße Hai verschwindet, wenn Orcas auftauchen. Ein einzelner Orca braucht bis zu 200 KG Futter am Tag.

Eine beliebte Speise der Orcas ist dabei Pinguinbrustfleisch (den Rest lässt er gerne mal davontreiben). Aber auch Robben sind ein beliebtes Ziel. Orcas sind wahrscheinlich die intelligentesten Tiere, die auf unserem Planeten beheimatet sind und wir sind froh, dass sie uns nicht als Gefahr eingestuft haben. Denn es wäre ein leichtes für sie gewesen, unser Boot zum kentern zu bringen und wir wären in wenigen Minuten alle im kalten Wasser erfroren. Gezielte Angriffsmanöver um Eisschollen zu zerstören oder mit großen Wellen zu überschwemmen stehen hier nämlich auf dem Tages-To-Do hier in der Antarktis.

Robbe
Wie gut für die Robbe, dass die Orcas schon wieder verschwunden sind.

Weiter geht’s – neuer Tag, neue Wale

Nachdem wir am Vormittag die Orcas gesehen haben, waren wir ganz hin und weg. Am Nachmittag besuchen wir nochmal eine Pinguinkolonie. Weniger Aufregung und mehr putzige Momente. Wir kommen wieder etwas runter und genießen den Spaziergang an Land.

Nichts desto trotz soll es am nächsten Tag ähnlich aufregend weitergehen. Wir steigen in der Fournier Bay in die Zodiacs und unzählige Buckelwale kommen uns besuchen. Vor dem Zodiac, dahinter, daneben – wir wissen nicht, wohin wir zuerst schauen sollen.

Die bis zu 16 Meter langen Wale begleiten uns eine lange Zeit, faszinieren uns und ziehen uns völlig in ihren Bann. Jeder Buckelwal besitzt eine einzigartige Schwanzflosse, die wie ein Fingerabdruck beim Menschen völlig individuell ist. Am Abend bekommen wir eine wissenschaftliche Webseite mitgeteilt, bei der wir unsere Walflossenbilder hochladen können. Mit Hilfe der Sichtungen kann man rückverfolgen, wo sich die Wale aufhalten und wie sich deren Verhalten über die Jahre ändert.

Später in Chile sollen wir abermals Buckelwale sehen und natürlich laden wir auch diese Bilder hoch und tragen so zu einem winzigen Teil der Wissenschaft zum Schutz und der Erforschung rund um diese wahnsinnig sanften Riesen bei.

Abschied nehmen – wir verlassen die Antarktis

Am Vormittag des letzten Tages in der Antarkis steht der Polar Plunch bevor. Der berühmte Sprung ins eiskalte Wasser des Südpolarmeeres. Hierzu sind wir in einer kleinen Bucht, das Wasser ist glatt, Eisberge schwimmen an uns vorbei. Die Temperatur des Wassers beträgt 0°C.

Der Schiffsarzt steht direkt neben uns. Das dient vor allem dazu, dass er im schlimmsten Fall sofort helfen kann. Auch müssen die Teilnehmer einen Sicherungsgurt anziehen, der mit einer Leine am Schiff befestigt ist.

Als der Arzt Tim sieht, lehnt er ab. Zu jung. Kinder unter 16 Jahren dürfen nicht ins Wasser springen, da ihr Herz möglicherweise nicht trainiert genug ist. Tief traurig geht er auf sein Zimmer. Kurz darauf klingelt sein Telefon. Das Expeditionsteam hat sich für ihn stark gemacht. Wer Sommer wie Winter im Dachzelt ohne Heizung schläft, der schafft auch den Sprung ins kalte Wasser.

Und so ist es auch. Wir alle springen (bis auf Eric, der leicht erkältet ist) und keiner muss an der Rettungsleine wieder ins Boot gezogen werden. Sobald wir wieder im Schiff ankommen, werden Handtücher um uns gewickelt und der heiße Kakao ist der beste Kakao, den wir bis dato bekommen haben.

Der Wert der Antarktis

Eigentlich stand nach dem Polar Plunch die Rückfahrt nach Argentinien an. Weil aber das Wetter (wie schon die ganze Zeit eigentlich) unbeschreiblich gut ist, die Sonne scheint und unser Kapitän und der Navigator berechnet haben, dass genügend Zeit ist, dürfen wir noch ein letztes Mal mit den Zodiacs raus aufs Wasser.

Die See ist gespickt mit Eisbrocken und wir haben eine wunderschöne letzte Fahrt zwischen den Eisbergen und Felsen der Antarktis. Ein letztes Mal lassen wir unsere Gedanken hier schweifen und stellen fest, was wir doch für glückliche und gesegnete Menschen sind. Alle Sorgen und negativen Gedanken verschwinden hier. Man fühlt, dass die Antarktis etwas besonderes ist. Etwas magisches.

Sie ist das Herz und der Puls unserer Welt. All die tausend Dinge, die uns im Alltag wichtig erscheinen, sind hier unwichtig. Ohne das Eis der Antarktis ist die uns bekannte Welt verloren. Ohne den signifikanten Temperaturunterschied, der hier herrscht, sterben die Meeresströmungen. Und ohne Meeresströmungen wird sich einfach alles auf der Welt ändern.

Mit diesem Wissen und mit allem, was wir in den 10 Tagen an Bord der World Navigator gelernt haben, reisen wir über die Drake Passage zurück nach Ushuaia. Im Gepäck haben wir so viele Bilder, so viele Eindrücke und Gedanken, dass wir dieses Erlebnis noch gar nicht so richtig fassen können. Wir brauchen Tage und Wochen, um zu verarbeiten, was wir gesehen und erlebt haben.

Und warum dann eine Reise in die Antarktis machen?

Diese Frage haben wir uns zu Beginn gestellt. Wenn die Antarktis so fragil ist, warum sollte jemand wie wir dann überhaupt dahin reisen?

Nun, dazu gibt es zwei Punkte zu sagen. Viele freie Wissenschaftler, Forscher und Experten haben ihre Berechtigung, in die Antarktis zu reisen, um mehr über sie zu erfahren und um sich mit den Informationen weiter für ihren Schutz einsetzen zu können. Viele können sich längere Aufenthalte dort aber nicht leisten oder die Universitäten/Staaten etc. wollen das Geld nicht aufwenden.

Mit dem Geld der “touristischen Expeditionsteilnehmer” ist aber das Schiff und die Reise für die Experten mit bezahlt und die Experten können vor Ort ihren Zählungen, Sichtungen etc. nachgehen.

Außerdem hat die Antarktis auf viele den gleichen Effekt, wie auf uns. Man fühlt sich ein Stück weit verantwortlicher, man möchte helfen, das zu erhalten, was man lieben gelernt hat. Viele, die an einer solchen Expedition teilnehmen haben Geld, Einfluss oder einfach Interesse und setzen sich im Bereich ihrer Möglichkeiten nach der Reise für mehr Nachhaltigkeit, Umweltsinn und Forschungsarbeit ein. Und das macht jedes einzelne Mal Sinn.

Das Video zum Bericht

Zu unserer Expedition in die Antarktis haben wir auch bereits ein Video veröffentlicht. Schau doch mal rein.

Hast du schon einmal etwas so eindrückliches erlebt, dass es dich nachhaltig verändert hat? Etwas, dass dein Herz derart berührt hat, dass du danach ein anderer Mensch geworden bist? Was war das? Erzähl uns doch davon in den Kommentaren.

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