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Erklärungen

Wenn Tourismus zum Naturschutz beiträgt

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Während unserer Tour durch den Amazonas Boliviens (siehe unser Bericht hierzu) wurden wir von Alejandro betreut. Unser Tourguide vom Mashaquipe Tourenanbieter, der uns 6 Tage nicht von der Seite gewichen ist und uns mit so unglaublich vielen Informationen versorgt hat, hat eine ganz besondere, faszinierende und bewegende Geschichte zu seinem Leben und dem Tourismus hier erzählt. Diese möchten wir hier erzählen.

Alejandros unglaubliche Geschichte

Wir sind in Bolivien. Es ist ein gemütlicher Abend mitten im Amazonasgebiet während der Trockenzeit. Endlich sinken die Temperaturen zum Ende des Tages wieder und man hört für ein paar Stunden auf zu schwitzen. Feucht ist trotzdem alles, denn die Luftfeuchtigkeit macht alles klamm. Hinter den Moskitonetzen des Esszimmers der Lodge sind wir auch vor den Blutsaugern sicher, die um diese Uhrzeit in Massen auftauchen. Moskitos – wir hassen Moskitos.

Tourismus im Amazonas

Unser Guide Alejandro sitzt mit uns am Tisch, so wie jeden Tag. Seit 4 Tagen sind wir mit ihm im Amazonas-Gebiet unterwegs und vom Dschungel jetzt in die Savanne, oder Pampa, wie sie hier genannt wird, weitergezogen. Auf die Frage, wie die Menschen in den indigenen Communitys des Madidi Nationalparks ihr Geld verdienen, lächelt er.

„Wisst ihr“, sagt er und blickt raus auf den Fluss vor der Lodge, „das ist eine lange Geschichte.“ Und so begann er uns seine faszinierende Geschichte zu erzählen wie es begann das ein Tourismusprojekt zum Naturschutz beiträgt.

Kindheit in der Community vor +/- 30 Jahren

Alejandro ist in einer indigenen Community 100 KM von Rurrenabaque entfernt im heutigen Madidi Natinalpark geboren und aufgewachsen. Als er noch ein Kind war, gab es noch keine Straße dorthin und das Gebiet war auch noch kein Nationalpark. Von seinem Dorf nach Rurrenabaque, was damals auch noch eine kleine Stadt mit Straßenanbindung war, mussten die Dorfbewohner drei volle Tagesmärsche quer durch den Dschungel auf sich nehmen.

Sein Regenwald, in und mit dem die Community lebte, wurde zunehmend von der Abholzung bedroht. Das begehrte Mahagoniholz und andere Holzarten wurden hier unter großen Verlusten für den Regenwald abgebaut. Und auch Alejandros Community, eine der ältesten in ganz Bolivien (registriert seit 1616), schrumpfte immer weiter. Die Firmen in den Städten lockten die jungen Dorfbewohner mit Arbeit und dem Geld, dass sie damit verdienen konnten.

Sein Schamane, der letzte, den es in der Community gab, betrübte diese Landflucht.

„Ihr seid jung und stark“, sagte er zu den Kindern und jungen Dorfbewohnern, darunter auch Alejandro. „Ihr könnt arbeiten und Geld verdienen. Aber was ist mit uns Alten? Und wer kümmert sich um das Dorf und den Dschungel, wenn ihr weg seid? Wer kümmert sich darum, dass alles gut ist für die Kinder, die wir bekommen? Wie soll es für uns weitergehen, wenn keine jungen Menschen mehr da sind, die diese Verantwortung übernehmen?“

Morgenstimmung im Amazonas.

Nur ein Hirngespinst?

Das bewirkte etwas in Alejandro und einigen anderen. Alejandro wollte etwas verändern. Er beschloss mit einigen anderen, „seinen“ Dschungel zu beschützen und trotzdem Geld für die Menschen in den Communitys zu erwirtschaften. Mit Tourismus.

Anfangs wurden diese jungen Menschen belächelt. Doch Alejandros Wille und der der Anderen war stark. Nach der Grundschule, die in Bolivien 9 Jahre dauert, ging er nach La Paz für die weiterführende Schule, denn dort wurde Englisch gelehrt und Alejandro wollte unbedingt Englisch lernen, um als Tourguide für Ausländer zu arbeiten.

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Die Zeit in La Paz muss für Alejandro wie der Eintritt in eine andere Welt gewesen sein.

Bereits in der Vergangenheit haben Touren durch den Dschungel stattgefunden und Angehörige seines Dorfes haben im Dschungel verlorengegangene Reisende gefunden und gerettet, doch mit Tourismus im Wesentlichen hatte all das noch nichts zu tun. Nachdem er seine Schule beendet hatte begann das Projekt Tourismus und er und einige andere setzten sich stark dafür ein, dass der Amazonas-Regenwald dieser Region vor der Abholzung geschützt wird. Gleichzeitig war er bei der Gründung der Chalalan-Lodge im heutigen Madidi Nationalpark beteiligt und arbeitete als einer der ersten Tourguides dort. Die Chalalan-Lodge ist heute die bekannteste, luxuriöseste und älteste Lodge dort.

Der Schutz des Amazonas-Regenwaldes und der Communitys

Im Kampf gegen die Abholzung nahm Alejandro an vielen Gesprächen mit der Regierung und auch mit dem Nachbarland Peru teil. Es war ein harter Kampf aber letztendlich wurde der Madidi Nationalpark gegründet und auf peruanischer Seite entstand ebenfalls ein Schutzgebiet. Heute zählt dieser Nationalpark als einer der artenreichsten Nationalparks der Welt.

„Die Chalalan-Lodge wuchs kurz darauf und wurde bekannter und beliebter. Sie wird von den Communitys betrieben und alles Geld fließt auch in diese wieder zurück“, erzählt Alejandro mit glasigem Blick, der zeigt, wie viel Emotionen in seiner Geschichte verwoben sind. „Unser Hirngespinst, die Idee von ein paar jungen Menschen aus dem Dschungel, nahm unerwartete Formen an. Im Laufe der Jahre bildete ich allein über 20 Tourguides aus, die heute in verschiedenen Agenturen arbeiten.“

Alejandro hat sich seitdem immer weitergebildet. „Anfangs war ich jung und wusste quasi nichts, als wir die Chalalan-Lodge aufgebaut haben“, erklärt er lachend. Aber er hat viel gelernt seitdem und sein Wissen über Biologie, Flora und Fauna ist atemberaubend, seine Englischkenntnisse ebenfalls. Deutsch möchte er noch lernen und kennt bereits viele wichtige Begriffe und fragt bei uns ständig nach neuen Begriffen. Er arbeitet nicht nur als Tourguide für Touristen, sondern führt auch führende Wissenschaftler verschiedener Sachgebiete in „seinen“ Dschungel und war bei der Entdeckung einer neuen Affenart dabei. Auch National Geografic heuerte ihn bereits als Guide an.

Um den Tourismus voranzutreiben hatte er sich in Peru bereits existierende Lodges angeschaut und das Wissen über hochwertige Anbieter mit in seine und die anderen Communitys gebracht. So entstanden Lodges mit hohem Qualitätsstandards. „Das war am Anfang alles noch ganz anders – viel einfacher und weniger Komfortabel. Das mussten wir ändern. Nur wenn die Touristen sich in der Lodge wohlfühlen kann das Projekt bestehen.“

Unsere Unterkunft

Das Tourismusgeschäft läuft

„Als das Geschäft mit den Touristen anlief, kamen viele wieder aus den Städten zurück in ihre Communitys und arbeiten heute bei den verschiedenen Agenturen, der Chalalan-Lodge und ihren „seis hijos“ (sechs Kindern), die gemeinsam von den Communitys betrieben werden. Es ist quasi ein großes Gemeinschaftsprojekt, das zum Wohl ihrer Dörfer, ihrer Lebensweise und vor allem der Natur dient.

Denn ihr Glaube an Pachamama, die Mutter Erde, ist heute noch stark und tief verwurzelt. Der Schutz der Natur liegt ihnen sozusagen im Blut. Auch sind diese sieben Agenturen, die aus diesem anfänglichen Projekt entstanden, keinesfalls harte Konkurrenten. Man hilft sich gegenseitig aus, verleiht auch Personal von einer Agentur in eine andere, denn am Ende kommt das Geld zusammen wieder den Communitys zugute.

„Heute“, erklärt Alejandro stolz, „kann jeder in meiner Community frei entscheiden, was er machen möchte. Er kann Koch werden, Chauffeur, Tourguide, Manager, Servicekraft – wir haben dank des Tourismus so viele Möglichkeiten. Und das ohne, dass unsere Umwelt darunter leiden muss und ohne, dass wir die Alten im Dorf dafür im Stich lassen. Das ist eine gute Sache.“

Kochen ohne Strom

Eine Win-Win Situation

Seine Community ist die größte hier in der Gegend und zählt über 700 Bewohner. Mittlerweile führt eine Straße dorthin und die Menschen haben Strom und Internet und können mit dem Geld viele wichtige Dinge wie Medikamente etc. kaufen. Trotzdem führen die Menschen dort ein sehr eigenständiges und stark mit der Natur verbundenes Leben inmitten des Madidi Nationalparks.

Wir als Touristen profitieren ebenfalls. Alejandro ist ein erstklassiger Guide. Sehr geduldig und sehr aufmerksam. Sein Wissen fasziniert uns und er findet viele Tiere, die er uns zeigen kann. Voller Begeisterung lauschen wir seinen Erklärungen, wenn er mit uns Spuren liest oder zeigt, wie man sich im Dschungel zurechtfindet. Wie man Wasser findet, wenn man sich verlaufen hat und welche Pflanzen wofür genutzt werden können. Als Claudia mit Magen-Darm Problemen kämpft, bekommt sie Baumrindentee, der unglaublich gute Wirkung zeigt. Und auch während der Coronapandemie haben die indigenen Communitys diese Rinde erfolgreich eingesetzt. Bewahrt die Natur, sie birgt noch viele Geheimnisse.

Es ist eine Win-Win-Situation für die indigene Bevölkerung des Madidi Nationalparks und die Touristen, die sich auf seinen starken Bemühungen gründet. Nach dieser emotionalen Geschichte wissen wir: jeder Cent, den wir für die Tour bezahlt haben, hat sich in doppelter Hinsicht gelohnt.

Hier kannst du unser Video zu unserem Amazonas-Aufenthalt mit Alejandro anschauen.

Wie siehst du die Sache mit dem Tourismus in Naturschutzgebieten? Ist es in deinen Augen eher eine vorteilhafte Sache aus der sowohl Tourist als auch Anbieter und bestenfalls auch die Natur profitieren können? Oder ist das eher kritisch anzusehen, weil eben doch viel Müll entsteht und Tiere durch den Tourismusbetrieb gestört werden könnten? Schreib uns doch deine Meinung dazu in die Kommentare.

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