Das Pantanal ist das größte Binnenwasser-Feuchtgebiet der Erde und mit einer Fläche von weit mehr als 150.000 Quadratkilometern fast halb so groß wie Deutschland. Eine Reise ins Pantanal ist ein Abenteuer in eine faszinierend andere Welt und für uns schon immer ein Traum gewesen.
Sümpfe, Seen, Auen und Savannen – das Pantanal
Umschlossen von Bergen gibt es nur den Rio Paraguay, über den das gesamte Wasser, welches sich in der Regenzeit hier im Pantanal sammelt, wieder abfließen kann. Und in der Regenzeit sammelt sich hier verdammt viel Wasser an. Die Erde saugt das Wasser auf wie ein Schwamm und gibt es in der Trockenzeit nach und nach wieder ab. So entstand hier ein unfassbar großes Feuchtgebiet, dass seinesgleichen sucht. Hier findet man Seen, Flussarme, Auen, Feuchtwälder und Savannen, die sich bis zum Horizont und noch viel weiter erstrecken.
Über 80 Prozent der Fläche versinken in der Regenzeit für fast ein halbes Jahr komplett im Wasser. Mehrere Naturschutzgebiete, darunter den Nationalpark Pantanal Matogrossense und das UNESCO-Weltkulturerbe Pantanal Conservation Area, versuchen diese einzigartige Region weiterhin vor dem menschlichen Eingriff in die Natur zu schützen. Deshalb und wegen der Unwegbarkeiten während Regenzeit ist das Pantanal noch heute grötenteils unberührt und nur wenige und teilweise abenteuerliche Pisten führen hindurch, damit die dort ansässigen Farmen und Haciendas erreicht werden können, die sich hier großflächig auf den Trockeninseln verteilen. In der Regenzeit sind diese oftmals über Wochen von der Außenwelt abgeschnitten.
Erst ab Mitte Mai ist das Pantanal im Tiefland soweit abgetrocknet, dass die Pisten gut befahrbar sind. Vorher ist es immer Glückssache, ob man im Schlamm stecken bleibt oder nicht. Als wir Anfang Juni ganz im Süden am Rand des Pantanals ankommen, ist das noch kaum vorstellbar, was hier wohl in der Regenzeit los ist. Und auch noch kaum vorstellbar, was wir selbst bald erleben und sehen dürfen.
Unglaubliche Biodiversität
Die Umstände begünstigen natürlich die Ausbreitung und den Arterhalt vieler Tiere und Pflanzen, die hier heimisch sind. Man schätzt, dass um die 650 verschiedene Vogel- und ca. 240 Fischarten hier leben. Daneben soll es rund 60 Amphibien- und über 100 Reptilienarten sowie mindestens 120 Säugetierarten und sagenhafte 1.700 verschiedene Pflanzenarten geben. Auch einige gefährdete Tierarten wie der Jaguar, der Hyazinth-Ara, der Ameisenbär und der Riesenotter finden hier einen der wenigen letzten Rückzugsorte. Wir hoffen bei Ankunft, zumindest einige dieser Tiere und Pflanzen entdecken zu können.
Bonito – das wunderschöne Tor zum Pantanal
Unser Auftakt für das Pantanal bildet das Städtchen Bonito, das seinem Namen alle Ehre macht. Hier finden wir einen Stellplatz am Rand der Stadt, wo uns neben vielen anderen Vogelarten täglich auch wunderschöne farbenfrohe Aras (hauptsächlich Grünflügelaras und Gelbbrustaras) besuchen kommen. Auch menschlichen Besuch bekommen wir, denn Jens, Sabine und Elena von Herr Nilsson auf Reisen kommen vorbei. Wir haben die drei schon einmal Ende Januar in Mendoza getroffen und freuen uns über zwei gemütliche Abende mit ihnen.
Auch wenn in der Nähe von Bonito die berühmten klaren Flüsse fließen, sparen wir uns das Geld für eine Exkursion und begnügen uns mit den Aras am Platz, denn wir wollen auch bald weiter und kaltes Wasser ist sowieso nicht so unser Ding (und die Flüsse sollen wirklich arschkalt sein). Wir sind in den Tropen. Das sagen uns nicht nur die herrlich bunten Vögel, sondern auch die Temperaturen. Es wird feuchtwarm und klebrig, Lianen und Orchideen hängen an den Bäumen und kühles Obst wird unser Lieblingsessen.
Welcome to the jungle – das Refúgio Canaã
Von Ueli (underway.ch), den wir vor einiger Zeit in Salta getroffen haben, bekommen wir den Tipp, im Refúgio Canaã vorbei zu schauen, was wir nach kurzer Recherche natürlich machen.
Der Weg dahin hat sich mehrfach gelohnt, denn wir finden hier eine wunderschöne Ferienanlage mitten im Dschungel. Das Refúgio liegt soweit abgelegen, dass allein die An- und Abfahrt ein Erlebnis für uns ist. Die ersten großen Sümpfe und Seen breiten sich rechts und links der Straße aus und die ersten hölzernen Brücken müssen überquert werden.
Es dauert lange, aber irgendwann stehen wir mitten in dem kleinen Paradies. Ein ebenfalls ziemlich klarer aber nicht ganz so kalter Fluss fließt hier vorbei. Viele bunte Fische tummeln sich hier, Enten schwimmen und die Geräusche des Dschungels sind allgegenwärtig und erinnern uns daran, wo wir gerade stehen.
Die ersten gefährdeten Tiere – hautnah im Pantanal
Hier machen wir auch die erste Bekanntschaft mit den Hyazinth-Aras. Diese blaue Papageienart ist nicht nur die größte flugfähige Papageienart, sondern auch sehr stark gefährdet. Ihr Bestand wird auf nur noch rund 4.500 erwachsene Tiere geschätzt. Die blauen Aras leben nur noch im Pantanal, wo sich die größte Population befindet, in einem Gebiet zweier Nebenflüsse des Amazonas und in einem kleinen Gebiet der Region Cerrado in Brasilien.
Im Refúgio dürfen die Papageien tun und lassen, was sie wollen und sie haben ihre Scheu vor uns Menschen verloren. Da rund herum nichts als Dschungel ist, ist das auch okay – wenn sie uns nicht gerade das Essen streitig machen wollen oder das Klo belagern.
Hier genießen wir zwei gemütliche Tage im Paradies. Die Anlage und die Umgebung sind ein Traum, so dass dieser Ort für uns den Spitznamen “Paradies” bekommt.
Bei der Fahrt zurück auf die befestigte Straße sehen wir sogar mehrere große Ameisenbären (für uns der erste Vertreter der “Tres Gigantes”) hier. Auch das erste Wasserschwein sehen wir in den Abendstunden. Diese nahen Verwandten der uns bekannten Meerschweinchen können bis zu 75 kg auf die Waage bringen und sind kaum zu übersehen.
Holzbrücken, Kaimane und Moskitos – nichts für Weicheier
Bisher tummelten wir uns aber nur am Rand des Pantanals. Um so ein richtiges Gefühl für das eigentliche Pantanal zu bekommen, fahren wir zwei Tage tiefer ins Feuchtland rein. Dank der Trockenheit der letzten Wochen sind die Pisten MS-184 und MS-228 hinter Miranda weitestgehend abgetrocknet und gut befahrbar. Trotzdem sind sie nichts für schwache Nerven. Meist steht direkt neben der Piste schon das Wasser und um die 50 schmale Holzbrücken müssen überquert werden. Auch wenn bei uns die Brücken alle gut aussahen, ist ein kritischer Blick obligatorisch, denn oft ragen Nägel heraus oder Metallspangen haben sich gelöst und können für platte Reifen sorgen.
Wirft man einen kritischen Blick neben sich in eines der Wasserlöcher, sieht man nicht selten Kaimane aus dem Wasser schielen. Bei rund 35 Millionen Kaimanen in diesem Gebiet ist das aber auch kein Wunder. Die Bevölkerungsdichte der Kaimane im Pantanal ist in etwa so hoch wie in Deutschland die Bevölkerungsdichte der Menschen. Aber die kleinen Vertreter der Krokodile sind normalerweise nur stille und sehr gechillte Beobachter. Wir freuen uns über jede einzelne Begegnung.
Angriff auf Leib und Leben?
Eine viel größere und ernstzunehmende Gefahr stellen die unzähligen Moskitos dar. Sie kommen in unserem Fall etwa um 17 Uhr aus ihren Verstecken und fallen über jeden her, der in der Nähe ist. Zu Tausenden. Ohne Gnade. Dabei können diese Plagegeister auch üble Krankheiten (Chikungunya, Dengue etc.) übertragen.
Und selbst wenn keine Krankheiten übertragen werden, so ist jeder Stich halt einfach schrecklich nervig. Bei über 30°C und mehr als 80% Luftfeuchte ein weiterer Punkt auf der “genervt-Liste”. Neben Vorbeugemaßnahmen wie das Einsprühen der Haut mit Moskitoabwehrspray* und unserem Thermacell-Verdampfer* ist auch unser Heat-it* quasi im Dauereinsatz. Das ist eben die andere Seite des Paradieses.
Wir sind nicht so scharf auf die kleinen Nervensägen und deshalb enden meist die Tage im Pantanal um ca. 17 Uhr. Unser Dachzelt ist aufgeschlagen und wir halten uns drinnen hinter Moskitogittern versteckt und schauen aus den Fenstern in der Hoffnung, doch noch einen Jaguar zu erspähen.
So ist das eben – jedes Paradies hat halt so seinen Preis. Wir akzeptieren das und genießen es, unseren großen Traum – eine Fahrt durch das Pantanal – verwirklicht zu haben. Die Eindrücke sind unglaublich vielfältig und wir sehen unzählige Tiere und Pflanzen in atemberaubender Landschaft. Beinahe zu viel, um das alles auf einmal geistig zu verarbeiten. Deshalb sind wir ein bisschen froh, als wir die Berge erreichen, die den Rand des Pantanals bilden und hoffen, die Moskitoschwärme und die schwülheiße Luft Pisten damit auch hinter uns zu lassen.
Weiter gehts in Bolivien
Nach zwei Tagen in den Wet-Lands geht es weiter, raus aus dem ganz sumpfigen Teil. Es ist traumhaft, ja. Aber auch anstrengend. Wir ziehen direkt nach Bolivien weiter, statt eine weitere Runde im Nordpantanal zu drehen.
Die Grenzformalitäten hier sind eigenartig, denn keiner weiß so richtig, was du brauchst. Man fährt durch das Tor an der Straße und steht plötzlich mitten in der Grenzstadt Puerto Quijarro. Keiner hält einen an. Keiner will was sehen.
Dank iOverlander sind aber viele Schritte bekannt und man kommt hier nicht unvorbereitet an. So wissen wir, wir brauchen 5 Dinge: den Ausreisestempel in Brasilien (einfach), das ausgestempelte TIP von Brasilien (schon etwas komplizierter, da die Dame am Zoll gar nicht weiß, dass sie das ausstempeln muss), den Einreisestempel von Bolivien (einfach), das TIP für das Fahrzeug in Bolivien (komplizierter, weil langatmig und der Beamte mit einem Wohnmobil auf LKW-Basis nicht so viel anfangen kann und tausend Mal nachfragen muss) und zu guter Letzt eine Fahrerlaubnis von der Polizei.
Das wusste weder der Beamte von der Einreise, noch derjenige, der das TIP ausstellt – aber immerhin die Dame vom Militär kann uns sagen, wo wir das bekommen und dass wir es wirklich brauchen. Na gut, es ist ja nichts los und nach 2 Stunden sind wir auch durch mit den Formalitäten.
Nach ein bisschen Rennerei (wir kamen uns vor, wie im Haus der Verrückten bei Asterix und Obelix), haben wir alles und können auf Entdeckungsreise in einem neuen Land gehen.
Zwischen Pantanal und Amazonasgebiet
Die nächsten Tage erholen wir uns auf einer kleinen Hacienda mit Pool und lassen die Erlebnisse ein wenig sacken. Dann geht es weiter durch das leicht hügelige Gebiet, welches die Grenze zwischen dem Pantanal und dem Amazonas-Einzugsgebiet bildet.
Die Moskitos sind tatsächlich spürbar weniger und wie gerufen kommt auch ein Kälteeinbruch. Von tagsüber 32 Grad sackt die Temperatur auf ca. 10 Grad ab. Ja, wir werden daran erinnert, dass hier im Juni der Winter Einzug erhält. Aber es macht das Fahren angenehmer und unser nächstes Ziel ist genau perfekt für dieses Wetter.
Aguas Calientes – der Name ist Programm
Wir fahren weiter bis Augas Calientes (Heiße Wässer). Das kleine Städtchen trägt den Namen nicht umsonst, denn hier befindet sich die größte Heißwasserquelle in ganz Südamerika. Ein ca. 5 KM langer Fluss fließt aus dieser Quelle. Das Wasser hat mit 40-50 Grad mehr als angenehme Badewannentemperatur.
Da das Wetter wechselhaft regnerisch und kalt ist, ist hier ein perfekter Ort, um zu verweilen. Im Fluss ist man schnell – nur das Rauskommen gestaltet sich bei 10 Grad als Herausforderung. Glücklicherweise können wir fast direkt neben dem Fluss parken und müssen nicht lange laufen, bis wir wieder im Warmen sind.
Das Wasser ist angenehm klar und rund um den Fluss befinden sich Palmen und andere tropische Pflanzen. Kleine Putzerfische knabbern an den Füßen und bunte Vögel fliegen über unsere Köpfe. Die Einheimischen kommen vorbei und winken und wünschen uns “Feliz baño” – ein glückliches Bad. Generell sind die Bolivianer hier megafreundlich zu uns und wir freuen uns schon richtig auf unsere Zeit in ihrem Land.
Das Video zum Bericht
Hier könnt ihr euch noch unser Video zu unserer Reise durch das Pantanal anschauen. Über einen Kommentar auf Youtube würden wir uns übrigens sehr freuen.
Wusstest du, dass es in Bolivien, nicht nur die berühmten Anden-Hochplateus gibt, sondern auch ein großer Teil des Landes zum Amazonas-Einzugsgebiet gehört? Da wollen wir übrigens als nächstes hin. Was denkst du, erwartet uns in diesem Land? Schreib uns doch in die Kommentare.